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Trollius europaeus
(Trollblume)

Pflanzenfamilie: Ranunculaceae (Hahnenfußgewächse)

Biologie

ArtTrollius europaeus
VerbreitungVerbreitungsschwerpunkt Nord-, Mittel- und Osteuropa, in Südeuropa nur in der montanen bis subalpinen Stufe der nördlicheren Gebiete; fehlt kontinentaleuropäisch nordwestlich der Linie Hunsrück - Westerwald - Siegen - Lippe - Hannover (Hegi 1965); ein disjunktes Areal im Nordwesten Großbritanniens, die Bestände in Deutschland stellen sonst den westlichen Arealrand dar, sie umfassen weniger als 10 % des Gesamtvorkommens (floraweb.de)
VerbreitungskarteDeutschland: floraweb.de
Höhenverbreitungin Mitteleuropa überwiegend in der montanen Stufe (in den Alpen bis in 2.800 m ü. NN) (Meusel et al. 1965)
Natürlicher Standortim Bergland in feuchten und nassen Wiesen (Kohldistel- und Pfeifengras-Wiesen, Mädesüß-Fluren, feuchte Goldhafer-Wiesen) auf kühlen, sauren, humosen Lehmböden (Oberdorfer 1994, Düll & Kutzelnigg 2005, Kowarsch 1997), im Tiefland Nordost-Deutschlands in Kohldistel-Feuchtwiesen der Talniederungen und Seebecken (Nord- und Nordost-Mecklenburg, Fukarek et al. 1978). Typische Begleiter sind Filipendula ulmariaPolygonum bistorta und Succisa pratensis (Sebald et al. 1993). In Mitteleuropa z. T. auch in Bruch- und Auenwäldern bzw. in lichteren Wäldern der Alpen (floraweb.de). In Nord- bzw. Nordost-Europa vor allem in Wäldern (lichte Wälder, Waldränder und Gebüsche) (Norman 1901, Fukarek et al. 1978), darunter massenhafte Vorkommen in lichten Birkenwäldern bis in die obere Birkenregion; Trollius verschwindet erst in den Schneefeldern oberhalb der Baumgrenze (Norman 1901, Kontuniemi 1932, Söyrinki 1938, Pesola 1955; Walter 1974)
MykorrhizierungVA (vesiculär-arbusculäre) - Mykorrhiza (Harley & Harley 1987; bayernflora.de)
Beschreibung der PflanzePolykarpe Ranunculaceae mit kurzem, aufrechtem Rhizom, Wuchshöhe 10 - 80 cm, Blätter kahl, oberseits dunkelgrün, unterseits heller, fingerförmig geteilt mit dreispaltigen gesägten Zipfeln, Grundblätter lang gestielt, obere Stängelblätter sitzend und dreiteilig, Blüten gelb, kugelig, bis 3 cm Durchmesser, einzeln am Ende der Jahrestriebe, mit 10 (5 - 15) petaloiden Sepalen, umhüllen 5 - 10 Nektarblätter (Petalen), zahlreiche freien Karpelle und Stamina; innerhalb der Gattung hat nur Trollius europaeus (fast) geschlossene, kugelige Blüten, bei denen die Stamina und Karpelle vollkommen von den petaloiden Sepalen eingehüllt werden; Sammelbalgfrüchte aus bis zu 60 Bälgen, jeder mit einem bis zu 2,5 mm langen Griffelrest geschnäbelt; Bälge mehrsamig (im Durchschnitt 13 Samenanlagen, im Durchschnitt 7 Samen pro Balg), Samen schwarz und glänzend (Hegi 1965, Pellmyr 1989, Engler & Prantl 1995, Kowarsch 1997); nach Ausbilden der Keimwurzel und der Keimblätter bildet sich zunächst ein kurzes Rhizom, an dessen anderem Ende das erste dreigeteilte Laubblatt gebildet wird (Muller 1978, Kowarsch 1997); zweites Laubblatt ist bereits fünfgeteilt; die folgenden sind deutlich fingerförmig; vom senkrecht wachsenden Rhizom gehen viele schwarzbraune Nebenwurzeln aus, diese mit zahlreichen Seitenwurzeln erster Ordnung, Seitenwurzeln zweiter Ordnung fehlen weitestgehend; Wurzelsystem reicht in eine Tiefe von 30 - 40 cm, Hauptdurchwurzelungstiefe 25 cm: flaches, aber breites und dichtes Wurzelsystem (Kutschera & Lichtenegger 1992, Kowarsch 1997), "kräftiges Wurzelbüschel auf vertikalem Rhizom" (Linkola & Tiirikka 1936); in Grünlandbrachen sind die Trollius-Individuen im Vergleich zu Wiesen- und Mähwiesen-Standorten besonders hoch und blütenreich (durchschnittlich 18 Blüten je Pflanze im Vergleich zu durchschnittlich 3 Blüten je Pflanze,nördliches Rothaargebirge, Kowarsch 1997; vgl. auch Antkowiak 2002 und Kostrakiewicz 2009)
LebensformHemikryptophyt; Schaftpflanze (gemäß Lebensformtypen nach RAUNKIAER); polykarpe Staude
Lebensdauerausdauernde polykarpe Staude (biolflor.de), kann in Kultur mehrere Jahrzehnte alt werden (N. Kowarsch); In Grünlandbrachen können Individuen mindestens 50 Jahre alt werden (Kowarsch & Poschlod 2022); geschätztes maximales Alter von 70 Jahren (Serebryakov 1952); Rhizomzuwachs in Estland 2-3 mm pro Jahr (Sammul et al. 2003), daraus ableitend war eine Altersbestimmung der Rhizome in der Praxis generell jedoch nicht möglich: die untersuchten Rhizome waren 3 -4 cm und länger, am Ende jedoch abgestorben (P. Poschlod); in Mitteleuropa oft schon nach einem Jahr blühfähig (Kowarsch 1997), für Finnland wird eine Entwicklungszeit von bis zu 9 Jahren genannt (Linkola 1935)
SamenbankKeine permanente Diasporenbank (Milberg 1994, Kowarsch 1997), sondern Diasporenbanktyp einer vorübergehenden Samenbank („transient seed bank“ gemäß Thompson & Grime 1979): Die Samen überdauern den Winter (nicht keimfähig (angeborene Dormanz)), verlieren ihre Dormanz durch Kältestratifikation und können im zeitigen Frühjahr in Vegetationslücken auflaufen (Milberg 1994; vgl. auch Grime et al. 1981)
BlütezeitHauptblühperiode in Mitteleuropa von Mai bis Juni, in Hochlagen bis Juli, in Oberschwaben (Federsee) bereits Anfang Mai (Biewer & Poschlod 1997); vereinzelt Ende August bis Anfang Oktober zweite Blüte (Hegi 1965, Sebald et al. 1993), Blühintensität gegenüber der Hauptblühperiode aber deutlich gemindert (Kowarsch 1997); in zweiter Blühperiode bleiben Hauptbestäuber (Anthomyiiden der Gattung Chiastocheta) aus (Mik 1895, Kowarsch 1997)
Bestäubung durchDipteren der Gattung Chiastocheta (Fam. Anthomyiidae, Blumenfliegen), daneben potenziell Staphyliniden (Kurzflügler, v.a. der Gattung Anthobium) sowie Thripse (Thysanoptera) (Pellmyr 1989, Kowarsch 1997), nach Kugler (1970) und Sebald et al. (1993) auch Apiden und Coleopteren; nach Ranta et al. (1989, subalpine Region Nord-Schwedens) und Pellmyr (1989, Nordost-Finnland) mäßiger Blütenbesuch durch verschiedene Hummelarten, eine Bestäuberfunktion der Hummeln für die Trollblumen wird jedoch verneint; nach Entwistle (1995, Schottland) sind Dipteren verschiedener Familien (Anthomyiidae, Syrphidae, Muscidae, Empididae und Scatophygidae) Blütenbesucher; nach Pont (1993, Nord-Schweden) drei Arten der Gattung Thricops (Muscidae) sowie zwei Arten der Gattung Fannia (Muscidae); beim Pollensammeln oder beim Vordringen zu den Nektarblättern bepudern sich die Insekten mit Pollen, der zu den nächsten Blüten getragen wird (Sebald et al. 1993)
KompatibilitätAutogamie bei mitteleuropäischen Vorkommen möglich (Fischer 1967, Lindacher 1995, Kowarsch 1997, Suchan et al. 2015, Antkowiak et al. 2017, Flora Europaea); Ursachen dafür nach Fischer (1967) Ausbleiben des Insektenbesuches und feuchte Witterungsverhältnisse; Hagerup & Petersson (1956), Faegri & Van der Pijl (1971), Pellmyr (1989), Jaeger & Despres (1998), Klank et al. 2010, 2012) und Lemke & Porembski (2013) beschreiben dagegen Selbstinkompatibilität; Pellmyr (1989) führt seine Untersuchungen in Nordost-Finnland auf Wiesen mit schätzungsweise 3 Millionen Pflanzen durch, bei den untersuchten Beständen im Rothaargebirge (Kowarsch 1997) handelt es sich hingegen um relativ isolierte, kleine Reliktvorkommen am Arealrand mit Bestandsgrößen unter 200 Pflanzen
Blütenbiologiespezielle Bestäubungs-Samenparasitismus-Interaktion: Die gelben geschlossenen Kugelblüten (homogame bis proterogyne "nektarführende Scheibenblumen" gemäß KUGLER) werden vorwiegend von kleinen Fliegen der Gattung Chiastocheta besucht; in Nordost-Finnland besuchen vier Chiastocheta-Arten die Blüten, um geringe Mengen Pollen zu fressen, Nektar aufzunehmen, sich zu paaren und Eier abzulegen; die Eiablage erfolgt für jede Art nach einem sehr stereotypen Muster an der Basis der Karpelle, an deren Spitze oder in der Mitte der äußeren Karpelle; auch das Fraßverhalten der geschlüpften Larven an den Samenanlagen bzw. Samen läuft nach artspezifischen Mustern ab, dabei korreliert die relative Anzahl abgelegter Eier pro Sammelbalgfrucht mit der relativen Flugdichte der Dipteren (Pellmyr 1989); ein Vergleich der Blühtermine einzelner Pflanzen aus der Hauptblühphase mit solchen des letzten Drittels der Blühperiode zeigt eine Abnahme der Besucherdichte von Chiastocheta anhand der geringen Eizahlen an den Sammelbalgfrüchten sowohl für nordosteuropäische als auch für mitteleuropäische Populationen (Pellmyr 1989, Kowarsch 1997); bei mehr als vier Eiern je Blüte nehmen die Verluste an Samenanlagen durch Larvenfraß überproportional zu (Pellmyr (1989); an der nordwestlichen Arealgrenze Mitteleuropas wurden Abnahmen der Eier je Sammelbalgfrucht von 13,2 auf 8,7 bzw. 9,5 auf 1,6 ermittelt (Kowarsch 1997); ausführliche Informationen zu dieser mittlerweile sehr umfassend untersuchten Bestäubungs-Samenparasitismus-Interaktion finden sich bei  Bratteler & Widmer (1998), Despres (2003), Despres & Cherif (2004), Despres & Jaeger (1999), Despres et al. (2002, 2007), Ferdy et al. (2002), Gallet et al. (2007), Hemborg & Despres (1999, 2011), Ibanez & Despres (2009), Ibanez et al. 2009a, 2009b, 2010), Jaeger & Despres (1998), Jaeger et al. (2000, 2001, 2002), Klank et al. (2010), Lemke & Porembski (2013), Pellmyr (1989, 1992), Pompanon et al. (2006), Suchan et al. (2015)
Ploidie2n = 16; gilt für alle 31 Arten der Gattung Trollius (Doroszewska 1965, 1967, 1974); innerhalb der Gattung sind die meisten Arten miteinander kreuzbar, die Nachkommen fertil, aufgrund dessen sind die einzelnen Trollius-Arten untereinander z.T. schwer abgrenzbar (Engler & Prantl 1995); Prozess der Artbildung bei einigen Gruppen von Trollius noch im Gang (Doroszewska 1974), z.B. im nördlichen Ural (Überschneidungsgebiet der Areale von Trollius europaeus und Trollius asiaticus die erst 1968 von Igoshina beschriebene Art Trollius apertus Perf. (Igoshina 1968; vgl. Jalas & Suominen 1989), die hinsichtlich verschiedener Merkmalsausprägungen (u.a. Länge der Petalen im Verhältnis zur Länge der Stamina, halb geöffnete Blüten etc.) eine Mittelstellung zwischen T. europaeus und T. asiaticus einnimmt (Igoshina 1968)
FruchtSammelbalgfrucht mit bis zu 60 Bälgen (und max. durchschnittlich 10 Samen je Balg; die Anzahl Samen je Sammelbalgfrucht variiert bei 4 untersuchten Populationenen im nördlichen Rothaargebirge zwischen 27 und 568 Samen ( bei n = 105 Sammelbalgfrüchten) (Kowarsch 1997)
SamenreifeEnde Mai bis Ende August (Oberschwaben: Federsee, Biewer & Poschlod 1997); Mitte Juli (nördliches Rothaargebirge, Kowarsch 1997); Samenausstreu Ende Juni bis mindestens Ende September (nach Ende der phänologischen Erhebungen Ende September im Federseegebiet immer noch ausstreuend, Biewer & Poschlod 1997)
SamengrößeLänge 1 - 2 mm, Breite 0,7 - 1,2 mm (Bertsch 1941, Brouwer & Stählin 1975, Berggren 1981, Grime et al. 1981)
Samengewicht0,9 mg (0,7 - 1,1 mg) (biolflor.de) TKG von 606 - 677 mg (Samenmassen-Schwankungsbreite: 0,342 mg bis 1,049 mg); bei Selbstbestäubung i.d.R. höheres TKG: 782 mg (Samenmassen-Schwankungsbreite: 0,526 mg - 1,050 mg) (ermittelt an vier Trollius-Populationen im nördlichen Rothaargebirge; Kowarsch 1997)
Samenmorphologielänglich-elliptische schwarze Samen mit i.a. stark glänzender glatter Oberfläche und einer Länge von 1 - 2 mm sowie einer Breite von 0,7 - 1,2 mm (vgl. Bertsch 1941, Brouwer & Stählin 1975, Berggren 1981, Grime et al. 1981)
SamenausbreitungWindstreuer mit sehr geringer Ausbreitungsdistanz (wenige Meter) bzw. agochor (mit Heutransporten) (Müller-Schneider 1986; vgl. auch Kowarsch 1997); bisher kein Nachweis für Epizoochorie, Endozoochorie über Rehe prinzipiell möglich (Lemke et al. 2015); Hydrochorie unbedeutend (Danvind & Nilsson 1997)
Reproduktiongenerativ über Samenbildung (sexuell, amphimiktisch); xenogames Befruchtungssystem (biolflor.de)
Gefährdungeuropaweit ungefährdet; in Mitteleuropa in den letzten Jahrzehnten jedoch drastische Bestandsrückgänge; da es eine auffällige Art ist, finden sich zu ihr auch für die weiter zurückliegende Vergangenheit zahlreiche Angaben zu deren Vorkommen, der Rückgang dieser früher relativ häufigen Pflanze lässt sich daher vergleichsweise gut dokumentieren; in vielen Regionen Deutschlands sind in den letzten 50 Jahren zahlreiche ansehnliche Bestände zu kleinen Restpopulationen zusammengeschrumpft (Mittelmecklenburg: Bartz et al. 1973, 1984; Baden-Württemberg: Sebald et al. 1993; nördliches Rothaargebirge: Kowarsch 1997; Ostthüringen: Rode 2007; Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg: Lemke 2011); da die geänderte Grünlandnutzung als Hauptgefährdungsursache in Deutschland zwar häufig noch das Überdauern der langlebigen Pflanzen ermöglicht, nicht aber deren Verjüngung, ist davon auszugehen, dass der Bestandes-Abwärtstrend auch zukünftig noch anhalten wird; an der Nordwestgrenze des mitteleuropäischen Areals war innerhalb von 20 Jahren (1996 - 2015) bei 14 ausgewählten Trollius-Beständen ein Rückgang der Anzahl blühender Pflanzen auf 13% des ursprünglichen Wertes zu konstatieren (Kowarsch & Poschlod 2022)
Rote Liste DeutschlandGefährdungsstufe 3; Bestandsrückgang bundesweit
Gefährdungsursachenvor allem Änderung der Grünlandnutzung: sowohl Intensivierung als auch Brachfallen bislang extensiv genutzter Flächen Grünlandes (Hachmöller 2000, Kowarsch & Poschlod 2022); außerdem Degradation von Standorten durch Entwässerung, massive Aufdüngung, Aufforsten von Grünlandtälern, Verbauung; Ausgraben und Sammeln der Pflanzen demgegenüber von untergeordneter Bedeutung (Sebald et al. 1993, Kowarsch 1997, Hachmöller 2000); auf trockengelegten und/oder aufgedüngten Standorten können adulte Pflanzen häufig noch viele Jahre überdauern; eine Verjüngung findet jedoch nicht mehr statt (Sebald et al. 1993)
Pflegemaßnahmenoptimale Vermehrungsbedingungen auf extensiv genutzten, ein- bis zweischürigen Wiesen, bei denen der erste Mahdtermin nach oder zur Zeit der Samenreife liegt; die Art benötigt offene Bodenstellen für die Keimung, Keimlinge können sich in lückiger Wiesenvegetation sehr gut etablieren; bedingt durch das unterirdische Speicherorgan sowie die Erneuerungsknospen dicht über dem Boden kann sich die Art nach der Mahd rasch regenerieren (vgl. Strobel & Hölzel 1994); Mahdverträglichkeitszahl 5 (mäßig schnittverträglich, Briemle & Ellenberg 1994); 1. Schnitt nicht vor Anfang Juli (mit zunehmender Höhenlage muss hier differenziert werden) und die Anzahl von zwei Schnitten pro Jahr nicht überschreiten (Briemle & Ellenberg 1994); ersatzweise auch einschürige Wiesennutzung mit Nachbeweidung denkbar, falls diese nicht vor dem Spätsommer und bei nicht zu hoher Besatzdichte (< 2 GVE/ha) erfolgt; im Frühjahr keimende Individuen haben bis zum Zeitpunkt der Beweidung im Spätsommer bzw. Frühherbst noch kein unterirdisches Speicherorgan (Rhizom) ausgebildet, so dass eine starke Trittbelastung einen hohen Verlust an Jungpflanzen innerhalb der Bestände bedeuten kann; die Trittverträglichkeit der Art ist gering (unverträglich bis empfindlich, Briemle et al. 2001); gesamte Pflanze ist durch Protoanemoningehalt im frischen Zustand giftig und wird von Weidetieren gemieden (Düll & Kutzelnigg 2005; in Frage gestellt bei Aichele & Schwegler 2000); extensive Beweidung (Rinderbeweidung mit weniger als 1 GVE/ha) über einen Zeitraum von zwei Monaten pro Jahr kann bei Hanglagen (mit schwer begehbaren Bereichen) für die Trollblumen gerade noch tolerabel sein (vgl. Kowarsch 1997); Abbrennen der Vegetation übersteht die Art gut (Sebald et al. 1993)
Schutzstatusbesonders geschützte Art gemäß Bundesartenschutzverordnung
VerantwortlichkeitDeutschland hat gemäß Korneck et al. (1996) und Ludwig et al. (2007) keine besondere Verantwortlichkeit; gemäß Welk (2002) nur geringe Verantwortlichkeit
SonstigesEtymologie: troll (althochdeutsch) = kugelig : Kugelblume / globeflower. Es gibt zwei Varietäten bzw. Subspezies - T. europaeus L. var. transsylvanicus (Schur) Bl. (Schnäbel der Bälge 3 - 6 mm lang) und T. europaeus L. var. europaeus (Länge der Balgschnäbel 0,5 - 2,5 mm). Var. transsylvanicus kommt ausschließlich in den Karpaten und Südalpen vor, im übrigen europäischen Verbreitungsgebiet handelt es sich immer um die Varietät bzw. Subspecies europaeus (Doroszewska 1974, Tutin et al. 1993)

 

Kulturansprüche

Art Trollius europaeus
Kultur einfach
Wasserbedarf gute Wasserversorgung: Kultur gut feucht halten, nicht austrocknen lassen (C. Stroetmann, BG Marburg); tägliches Wässern empfohlen (G. Parolly, BGBM Berlin); die geringe Durchwurzelungstiefe von 30 - 40 cm (Kutschera & Lichtenegger 1992, Kowarsch 1997; vgl. auch Hundt 1964 für Mitteleuropa, Linkola & Tiirikka 1936)  verlangt eine ausreichende Wasserversorgung
Nässeempfindlichkeit keine Nässeempfindlichkeit: Feuchtezahl nach ELLENBERG F = 7 (Feuchtezeiger): die Art kommt natürlicherweise auf frischen bis nassen Böden vor (Fukarek et al. (1978); i.d.R. auf Grund- oder Stauwasser beeinflussten Böden, nur in sehr niederschlagsreichen Gebieten auch auf nicht von Grund- oder Stauwasser beeinflussten Böden (vgl. auch Kowarsch 1997)
Dürreempfindlichkeit empfindlich: insbesondere Jungpflanzen mit noch nicht bzw. nur schwach ausgebildetem Rhizom
pH-Spezifik Reaktionszahl nach ELLENBERG R = 6 (Mäßigsäure- bis Schwachbasenzeiger): in Deutschland basenreiche, aber auch kalkarme Standorte besiedelnd; Kultur auf schwach saurem (bis neutralem) Substrat (C. Stroetmann, BG Marburg), auf neutralen Substrat (G. Parolly, BGBM Berlin)
Substratspezifik Tonzeiger (Pflanze mit Hauptverbreitung auf sehr feinkörnigen, tonigen oder torfigen, meist wasserundurchlässigen oder zumindest schlecht durchlüfteten (sauerstoffarmen) Böden, Lindacher (1995); zum Erreichen einer höheren Wasserkapazität empfielt sich ein hoher Lehmanteil im Kultursubstrat (G. Parolly, BGBM Berlin); Pikiersubstrat aus gleichen Teilen Pikiererde und Sand; weitere Kultur in Topferde mit hohem mineralischen Anteil: 50 % Lehmanteil und 25 % grober Sand und Lavagrus sowie 25 % Pikiererde (C. Stroetmann, BG Marburg); Anzucht ist auch in einem Substrat, welches zu 3/4 aus Komposterde (allerdings dadurch i.d.R. erhöhter Trauermücken-Befallsdruck) und 1/4 handelsüblicher Blumenerde besteht, erfolgreich möglich (C. Mengel, AG Naturschutzbiologie Marburg)
Nährstoffbedarf mäßig nährstoffreich: NPK-Langzeitdünger (3 Monate) wird dem Kultursubstrat zugesetzt (C. Stroetmann, BG Marburg); Kulturführung eher nährstoffarm (G. Parolly, BGBM Berlin)
Nährstoffempfindlichkeitnicht salzertragend
Temperaturansprüche in der Natur kühlere Standorte bevorzugend (Temperaturzahl nach ELLENBERG T = 3 (Kühlezeiger)): in Gewächshäusern nicht über 15° C (C. Stroetmann, BG Marburg; C. Mengel, AG Naturschutzbiologie Marburg)
Lichtbedarf Lichtzahl nach ELLENBERG L = 9 (Volllichtpflanze); in der Kultur wie in der Natur: sonnig bis halbschattig, in voller Sonne muss eine sehr gute Wasserversorgung ("nasse Füße") gewährleistet sein (C. Stroetmann, BG Marburg); ideal ist eine leichte Beschattung der Trollblumen durch etwas höhere andere krautige Pflanzen (G. Parolly, BGBM Berlin)
Schädlingsprobleme während der Anzucht in humosem und feuchtem Boden können die Wurzeln der Keimlinge/Sämlinge von Trauermückenlarven (Bradysia spp., Familie Sciaridae (Trauermücken)) geschädigt werden; nicht so feuchte Kulturführung und vorheriges Abdecken der humosen Kulturerde können den Befallsdruck deutlich veringern; in Gewächshäusern kann der Befallsdrück gut mit gelben Klebefallen überprüft und ggf. eine effektive Bekämpfung durch Ausbringen von Nematoden der Art Steinernema feltiae durchgeführt werden (C. Mengel, AG Naturschutzbiologie Marburg); zuweilen können die Raupen der Eisenhut-Goldeule (Polychrysia moneta) Fraßschäden an Blüten und Knospen verursachen (Alford 1997), die Falter legen von Anfang Juni bis Ende Juli ihre Eier zwischen die Knospen oder an die geöffneten Blüten, Fraßschäden an Knospen und Blüten und jungen Blättern sind aber i.d.R. nicht populations- bzw. kulturbedrohlich, die nachtaktive Art ist im Prinzip nur über das Auffinden der Raupen auf den Futterpflanzen zu lokalisieren (Ebert 1997); Eisenhut-Goldeulenbefall wird von Koch (1988, Ostdeutschland) genannt; für das nördliche Rothaargebirge gilt ein Eisenhut-Goldeulenbefall an Trollius-Populationen ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit als nachgewiesen (Fund einiger Raupen in zwei Populationen im Jahre 1996 sowie eines adulten Falters in abgebundener Blüte (N. Kowarsch); vgl. auch www.pyrgus.de/Polychrysia_moneta); für Baden-Württemberg liegen bislang keine Polychrysia moneta-Funde an Trollius europaeus vor (Ebert 1997); Blattnematoden der Art Aphelenchoides blastophthorusals können als Schädlinge an Trollius europaeus-Kulturen auftreten (Alford 1997) (Blattnematoden sollten aber eigentlich für Trollius europaeus bei kühler Kulturführung kein Problem darstellen); Keimlinge sind sehr stark schneckenfraßgefährdet (extrem hohe Mortalitätsraten in der Wiesenvegetation, Hitchmough 2003); adulte Pflanzen i.d.R. nicht; Rehe können zu einem massiven Verbiss an unreifen Trollius-Früchten beitragen (Kowarsch 1997, Richter 2005); von Kanninchen kann eine Bedrohung für die gesamte Pflanze (Früchte und Blätter) ausgehen (C. Mengel, AG Naturschutzbiologie Marburg); insgesamt ist jedoch festzustellen, dass die Art hinsichtlich potenzieller Schädlinge verhältnismäßig umempfindlich ist
Vermehrung durch Samen; keine vegetative Vermehrung beobachtet (Kowarsch 1997; C. Stroetmann, BG Marburg); sehr geringe vegetative Ausbreitungsfähigkeit (Tamm et al. 2002, Estland); nach Lemke 2011 ist das natürliche Ausmaß vegetativer Vermehrung noch umstritten; prinzipiell ist in Kultur eine vegetative Vermehrung über Rhizomteilung bei Austriebsbeginn im Frühjahr gut möglich; generative Vermehrung in Botanischen Gärten über Samen: das geerntete reife Saatgut quillt im Herbst 2 Wochen lang bei 12-15 °C, danach in mäusegesicherte Frühbeetkästen aussäen, nach Kälteeinwirkung erfolgt die Keimung im darauffolgenden Frühjahr; zuweilen in merklichem Umfang auch erst nach dem zweiten Winter, die Pflanzen werden pikiert und kommen anschließend in Kulturtöpfe mit hohem Lehmanteil (siehe Substratspezifik), sie können dann i.d.R. bereits im Herbst ausgepflanzt werden (C. Stroetmann, BG Marburg); alternativ kann die Keimung durch Einsatz von Gibberelinsäure induziert werden
Keimungsansprüche Frostkeimer (Lüdi 1933); Helligkeit oder Dunkelheit spielen für die Keimungsinduktion keine Rolle (Milberg 1994); Kinzel (1923) beschreibt die Art hingegen als „Dunkelfrostkeimer“, er erreicht unter Laborbedingungen bei Dunkelheit und Frosteinwirkung die maximale Keimungsrate von 100 %; Samen keimen unter natürlichen Bedingungen im Frühjahr (bayernflora.de); durch Zusatz von Gibberelinsäure ist eine Keimungsinduktion möglich
Keimungszeit Samen benötigen eine Kältestratifikation von mehreren Wochen bis Monaten, um keimen zu können (Grime et al. 1981, Milberg 1994); Stratifikation bei +2 °C führt nach 14 Wochen zu ersten Keimungsereignissen; jedoch erst nach 26 Wochen zu einer Keimung im merklichem Umfang (C. Mengel, AG Naturschutzbiologie Marburg); eine Freilandstratifikation umfasst mindestens einen Zeitraum von einem Winter; die Keimung lässt sich aber auch durch Behandlung mit Gibberellin induzieren; zur Aufhebung der Dormanz wird im üblichen Verfahren der Saatgutprüfung (ISTA 1976) 0,02 %ige Gibberellinsäurelösung (GA3) verwendet. Kallio & Piiroinen (1959) erzielen mit 0,01 %iger bzw. 0,1 %iger Gibberellinsäurelösung und einer Einwirkungszeit von 48 Stunden Keimungsraten von 80 bzw. 90 %; Maas (1987) erreicht mit 0,02 %iger bzw. 0,1 %iger GA3-Lösung bei einer 24-stündigen Einwirkzeit Keimungsraten von nur 36 bzw. 48 %; Keimungsrate lässt sich bei gleichbleibender Konzentration der Gibberellinsäurelösung durch eine längere Einwirkungszeit deutlich steigern (0,01 %ige Gibberellinsäurelösung, 24 h: Keimungsrate 5 %; 0,01 %ige Gibberellinsäurelösung, 48 h: Keimungsrate 80 %, Kallio & Piiroinen 1959); Gibberellin dringt offensichtlich nur sehr langsam in den Embryo ein (Kallio & Piiroinen 1959); Maas (1987, 1989) erreicht bei Vorbehandlung mit 20 %iger Natriumhypohloritlösung nur sehr niedrige Keimungsraten; eine 0,05 %ige Gibberelllinsäurelösung (GA3) und eine lange Einwirkungszeit (d.h. einmaliger Zusatz von Gibberellinsäure ohne nachfolgendes Auswaschen) und ohne vorherige Behandlung der Samen gegen Pilzbefall erweist sich als optimal (P. Poschlod, C. Mengel, N. Kowarsch, ehemalige AG Naturschutz II der Universität Marburg), nach 2 Monaten (1 Woche unter natürlichen Tag-Nacht-Bedingungen bei konstant 20 °C im Labor, danach im Gewächshaus mit konstanter Temperatur von 10 °C und täglicher Belichtungszeit von 14 Stunden) lässt sich so eine gute Ausbeute gekeimter Trollius-Samen (60 -75 %) erzielen (Kowarsch 1997); auch eine spätere Fungizidbehandlung zwecks Verhinderung von Verpilzung wird unterlassen (Kowarsch 1997)
Hybridisiert mit potenziell fast allen anderen Arten der Gattung Trollius, die Nachkommen sind fertil
Kritische Lebensphasen Keimlings- und Sämlingsstadium vor der Ausbildung eines robusten Rhizoms: hohe Austrocknungsgefahr bei Jungpflanzen (C. Stroetmann, BG Marburg; G. Parolly, BGBM Berlin)
Sonstiges

 

Haltende Gärten / Einrichtungen

Botanischer Garten der Technischen Universität Dresden
IPEN Level Zugang Herkunft Wiederans. Web
DE-0-DR-018272 2 2019 Sachsen, LK Mittelsachsen, Lochmühle

 

Botanischer Garten der Universität Potsdam
IPEN Level Zugang Herkunft Wiederans. Web
DE-1-POTSD-2011-1946 1 2011 Brandenburg, Barnim

 

Botanischer Garten der Universität Marburg
IPEN Level Zugang Herkunft Wiederans. Web
DE-1-MB-2000/5 2 1999 Bayern, Bischofsheim
DE-1-MB-2000/6 2 1999 Bayern, Bischofsheim
DE-1-MB-2000/7 2 1999 Bayern, Bischofsheim

 

Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem
IPEN Level Zugang Herkunft Wiederans. Web
DE-0-B-2330291 1 1991 Brandenburg, Märkisch-Oderland (Kreis), Strausberg-Nord

 

Botanischer Garten der Universität Regensburg
IPEN Level Zugang Herkunft Wiederans. Web
k.A. 1 2002 Bayern, Kelheim, Sippenauer Moor

 

 

Wiederansiedlung

Im Hochsauerland haben die Trollblumenbestände in den letzten Jahrzehnten sehr stark abgenommen, einige Populationen sind erloschen. Im Spätherbst 1997 hat deshalb die Biologische Station Hochsauerlandkreis einen im Namenlosetal (bei Silbach nahe Winterberg) fast erloschenen Trollblumen-Bestand (1995 noch lediglich 4 Pflanzen, davon 2 blühend) über Auspflanzung von über 100 vom Fachbereich Biologie der Philipps-Universität Marburg (Naturschutz II, Peter Poschlod, Christina Mengel, Norbert Kowarsch) angezogenen Pflanzen der Region gestützt. Die Spenderpopulationen sind bei Kowarsch (1997) ausführlich beschrieben.

Ein im Juni 2013 durchgeführtes Bestandsmonitoring zählte 58 Trollius-Individuen (N. Kowarsch): 29 Individuen haben geblüht. Unter den 29 vegetativen Pflanzen fanden sich 3 größere Altpflanzen und 24 Jungpflanzen. Unter diesen 24 Jungpflanzen waren 5 Individuen, die erst Frühjahr 2013 gekeimt sind ("Dreilappenstadium": erstes Laubblatt vorhanden, welches im Gegensatz zu den weiteren Laubblättern lediglich dreilappig ist). 16 Jahre nach der Bestandsstützungsmaßnahme weist die Winterberger Population somit eine Populationsstruktur auf, die auf diesem alle zwei bis drei Jahre gemähten feuchten bis nassen Standort eine weitere dynamische Bestandsentwicklung erwarten lässt. Ein im Mai 2017 enreut durchgeführtes Bestandsmonitoring bestätigte dies: insgesamt 63 Trollius-Individuen, davon 25 blühend. Unter den 38 vegetativen Individuen finden sich 12 Jungpflanzen (N. Kowarsch).

Im Zeitraum 2013 bis 2015 sind für weitere sieben stark im Rückgang begriffene und mittlerweile von Extinktion bedrohte Trollius-Bestände im Hochsauerland (Raum Winterberg: Helletal, Orketal, Büretal sowie Sonneborn und Nuhnetal) bestandsstützende Maßnahmen erfolgt: Auf den verschiedenen Standorten betrugen die Überlebensraten 2020 45% bis 85%. Die Blühraten lagen zwischen 1% und 82% (Kowarsch et al. 2022)

Im Hochsauerland (Helletal nahe Winterberg) wurde von einer 2013 noch relativ großen Trollius-Population (ca. 250 blühende Individuen) Saatgut von 95 Mutterpflanzen gesammelt. Wenige hundert Meter vom Ausgangsbestand ist in situ auf einer Stiftungsfläche eine Erhaltungspopulation für den Helletal-Grünlandkomplex begründet worden: von 1.755 im Botanischen Garten Marburg angezogenen und im Oktober 2018 ausgepflanzten Trollius-Individuen konnten 2019 1.403 lebende Individuen (Überlebensrate 80%) gezählt werden (Kowarsch et al. 2022)

Bestandsstützende Maßnahmen bzw. Wiederansiedlungen wurden auch mit Pflanzen aus dem Botanischen Garten Regensburg (Herkunft: Sippenauer Moor; BG Regensburg: P. Poschlod) und mit Pflanzen aus dem Botanischen Garten und Botanischem Museum Berlin-Dahlem (Herkunft: Märkisch-Oderland; BGBM Berlin: A.-D. Stevens) durchgeführt.